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Familienkirche in Bleicherode

Freitag, 02. September 2016, 11:14 Uhr
Familienkirche in Bleicherode

Gemeinsam mit allen Generationen zu lachen, seine Sorgen abzugeben, indem man einen Stein ablegt, für jemanden zu bitten und eine Kerze für ihn zu entzünden, Kinder zu erleben, die zusammen einen Altar aufbauen, Nähe zu spüren beim gegenseitigen Segnen, die regelmäßige Tauferinnerung und die guten Gespräche beim Kirchencafé hinterher – all das fällt Marion Panse (36) ein, wenn sie an die Familienkirche in der Bleicheröder St. Marien-Kirche denkt. Von Anfang an kam sie mit Söhnchen Bendt (4) regelmäßig. Pfarrer Michael Blaszcyk wagte 2014 den Start dieser „Mitmach-Kirche“ nach dem Konzept von Jochen Westhof, trotz teils zweifelnder Kirchenältester. Die Befürchtung Einzelner, dass dieses bunte Treiben im Altarraum die Älteren vertreibe, sei unbegründet gewesen. Es kämen sogar mehr als zum klassischen Gottesdienst, berichtet Blaszcyk. Inzwischen lassen sich 60-100 Menschen alle 6 Wochen zur Familienkirche einladen, davon rund 30 Kinder. Wenig überrascht, dass seitdem der klassische Kinder-Gottesdienst nicht mehr so gut angenommen wird, die Generationen kommen lieber gemeinsam zur Familienkirche.

„Im normalen Gottesdienst sitzt jeder allein, hört und geht. Es fehlt mir die soziale Komponente, die ich in der Familienkirche finde“, erklärt Marion Panse die Anziehungskraft dieser Gottesdienstform. Da reicht ihr auch das monatlich angebotene Kirchencafé nach dem Gottesdienst nicht. Zudem verstehe sie seit der Familienkirche auch manch biblische Geschichte besser.
Biblische Geschichten sind die tragende Säule dieser Gottesdienstform, sie ersetzen die Predigt. „Die Geschichten sollen gar nicht interpretiert werden. Man soll sie sehen, fühlen, schmecken, riechen“, erläutert Pfarrer Blaszcyk das Konzept. Salböl auf die Hand gestrichen wird sinnlich erlebbar so wie das gebackene Hörnchen, das für alle reicht und das Speisewunder sichtbar macht. Für Michael Blaszcyk ist dieser Gottesdienst im besten Sinne Gemeindepädagogik. Er zeige, dass biblische Geschichten vom Leben erzählen und für unser Leben auch heute noch Bedeutung haben.

Dazu sitzt man nicht steif in Kirchenbänken. „Menschen können in der Familienkirche den Kirchenraum für sich erobern, indem sie selbst den Altar mit Kreuz, Kerze und Bibel auf einem Tuch bauen, sich drumherum setzen und gemeinsam ein Bodenbild zur Geschichte bauen.“ Plötzlich gehöre das, was sich sonst so weit weg von den Kirchenbänken abspielt mitten hinein in ihr Leben. Und die Kinder lieben die Bodenbilder, es sind ja „ihre“. Diese dreiviertel Stunde lang, sind sie intensiv beim Geschehen, egal wie klein sie noch sind. Die gleichbleibende Liturgie ist dabei wichtig, man kennt den Ablauf und die Lieder. Zudem wird mal gebrüllt oder geflüstert, innegehalten oder sich bewegt und auch gelacht. „Dieses neue Gemeinschaftsgefühl, nehmen sie alle hoffentlich in das `andere´ Gemeindeleben mit und lassen sich auch zu Gemeindefesten und Fest-Gottesdiensten einladen,“ wünscht sich die Gemeindepädagogin Astrid Leidereiter, die stets mit im Team ist. Regelmäßig sind auch die musikalischen Kindergruppen wie Flöten und Chor aktiv. Sie lockten sogar schon neue Gäste. „Eines Tages fragte ein Junge im Pfarrbüro an, ob er nicht einmal seine Akkordeonkünste in der Kirche zeigen könne“, erzählt die Gemeindepädagogin schmunzelnd. Kirche sei ihm sonst fremd, doch er hatte die Musik durch die Tür gehört und die vielen fröhlichen Menschen nach dem Gottesdienst beobachtet. „Er kam zur Familienkirche, spielte sein Instrument und genoss die Atmosphäre schweigend. Das sind Momente, die das Herz weit werden lassen.“

Regina Englert
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