Meldung
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen
Montag, 18. April 2016, 07:00 Uhr
Christusdorn 17.04.2016
Ich kenne Ärzte, die rufen persönlich ihre Patienten namentlich im Wartezimmer auf, ihnen ins Sprechzimmer zu folgen. Das wirkt wohlwollend, wertschätzend und einfühlsam. Anders kann man es auch erleben, wenn über eine Sprechanlage der nächste Patient - vielleicht durchaus mit Namen - ins Behandlungszimmer 1, 2 oder 3 durch die "Dame an der Aufnahme" gerufen wird. Wo bei Behörden oder der Bahn das Nummernziehen eingeführt ist, da fühlt man sich wahrscheinlich wirklich manchmal nur wie die Nummer 367 an diesem Tag.
In vielen Lebensbereichen ist es daher angenehm und wahrhaft human, wenn Menschen sich mit ihren Namen anreden: der Lehrer in der Klasse, der Betriebsleiter bei seinen Mitarbeitern, der Mitbewohner im Treppenaufgang. Ich bin sehr froh, dass aus biblischer Tradition heraus die Christen immer wieder durch Jesus aufgefordert werden, dem Gegenüber möglichst nicht nur mit Würde zu begegnen, sondern ihn mit seinem Namen anzusprechen.
In den christlichen Kirchen werden in den Tagen nach Ostern die Texte vom Guten Hirten gelesen. Darin drückt Jesus im Johannesevangelium aus, dass er einen jeden von uns Menschen ganz persönlich meint: "Ich bin der gute Hirt. ...Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich..... Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir." Was Jesus im Bild von "Hirt und Herde" ausdrückt, das erinnert an die jüdische Überzeugung, wonach jeder Mensch sogar von Gott "beim Namen gerufen" wird. Im Jesajabuch wird nämlich Gott in den Mund gelegt: "Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! (Jes 43, 1)
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich unser Zusammenleben verändern würde, wenn sich möglichst viele Menschen aus dieser jüdisch-christlichen Tradition heraus begegnen würden. Dankbar bin ich dafür, dass uns Jesus immer wieder auf dieses "Klima einer gegenseitigen Wertschätzung" aufmerksam macht. Persönlich treibt er mich dazu, möglichst viele Menschen mit ihren Namen ansprechen zu wollen.
Pfarrer Richard Hentrich
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