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Ein Geschenk für beide Seiten

Dienstag, 28. Juni 2016, 07:00 Uhr
Seit letztem Sommer ist die St. Marien-Kirche in Elende im Kirchenkreis Südharz eine 24/7-Kirche – 24 Stunden an 7 Tagen die Woche geöffnet. Warum? Weil Sorgen und Nöte, Freude und Dankbarkeit keine Uhrzeit kennen. Weil niemand an Gottes Haustür rütteln soll, die von Menschenhand verschlossen wurde.

Eine offene Kirchentür wird von den Besuchern als Geschenk empfunden. Im Sommer die Kühle der Kirche zu atmen und dem gleichmäßigen Schlag der uralten Turmuhr zu lauschen, das entschleunigt. Das Gefühl, dass die Welt da draußen plötzlich weit weg ist, stellt sich schnell ein. „Danke für dieses offene Haus, das mir in hektischer Zeit, die mich rasen lässt, einen Augenblick Frieden schenkt“ – Einträge im Gästebuch wie dieser finden sich vielfach.

Doch wer glaubt, er öffne die Türen nur für die Fremden, die das Schild „offene Kirche“ zufällig im Vorüberfahren sahen, der irrt. Die Menschen aus dem eigenen Dorf kommen oft, um eine Kerze zu entzünden. Gründe dazu gibt es viele. Das Licht schenkt Hoffnung.

Das Gästebuch erzählt von Genesungswünschen, Bitten um Lebens- und Eheglück und Dank für gelungene Heilungen. Aber es spricht auch immer wieder von der Schönheit dieses Ortes. Und plötzlich sieht man selbst die vertrauten Mauern noch einmal mit anderen Augen. Ja, die Gäste haben Recht, unsere Kirche ist schön und ein besonderer Ort. Manchmal braucht man diesen Schubser, man wird zu schnell alltagsblind.

Immer wieder blitzt auch die Freude auf, eine Jahrhunderte alte Tradition wiederbelebt zu haben. Bereits im Mittelalter kamen Menschen in diese damals noch katholische Wallfahrtskirche und trugen ihre Gedanken hier hinein. Sie gingen über die gleichen massiven Fußbodensteine, über die wir heute noch gehen. Seit 13 Jahren ist dies nun auch wieder außerhalb der Gottesdienste möglich.

Trotz anfänglicher Sorge wurde in all der Zeit nie etwas entwendet. Nur einmal fehlten am „Vatertagsabend“ die Altarkerzen – am Tag danach entdeckten wir jedoch schmunzelnd 50 Euro unter dem leeren Kerzenständer. Den „Zorn Gottes“ will man sich scheinbar selbst in einer so kirchenfernen Region wie der unseren nur ungern einhandeln. Doch auch die kläffenden Hunde und die wachsamen Augen der Nachbarn mögen ihren Anteil an der generellen Friedfertigkeit haben.


Regina Englert
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