Mittwoch, 08. Februar 2017, 09:59 Uhr
Einer guten jährlichen Tradition folgend lud die evangelische Kirchengemeinde Niedersachswerfen auch 2017 am ersten Wochenende im Februar zu Vortrag und Diskussion ein. Michael Bornschein hielt seinen Vortrag zum Thema Mensch, ist die Kirche noch zu retten?. Michael Bornschein war viele Jahre Superintendent im Kirchenkreis Südharz und ist jetzt Rektor des Pastoralkollegs in Drübek.
Ist die Kirche noch zu retten? Referent Michael Bornschein (Foto: K. Schwarze)
Mensch, ist die Kirche noch zu retten?
Um die Antwort vorweg zu nehmen: Nein und Ja. Eine andere Antwort hätte sicher auch überrascht. Pfarrer Michael Bornschein, 2004 bis 2014 Superintendent des Kirchenkreises Südharz und seit 2014 Rektor des Pastoralkollegs in Drübeck, weckte mit seiner Themenwahl die Neugier der Zuhörer, die sich aus dem Kirchenkreis und der einladenden Gemeinde Niedersachswerfen im Bonhoeffer-Haus versammelt hatten.
Michael Bornschein begann seinen Vortrag mit einer kurzen Situationsanalyse der Kirche in unserer Zeit und verband diese mit der Frage Dietrich Bonhoeffers nach einer, von Christus herkommenden Kirche. Veränderungsprozesse sind der Normalfall, sagte Michael Bornschein und verband sie mit einem Wort aus dem Buch Nehemia: Die Freude am Herrn ist unsere Stärke. Mit Verweis auf sich selbst – er sei ein hoffnungslos optimistischer Mensch – macht er seinen Zuhörern Mut, sich von den kleiner werdenden Zahlen nicht erdrücken oder gar mutlos machen zu lassen. Dennoch helfe nur eine ehrliche Analyse über den geistlichen Zustand unserer Kirche. Schönreden hilft dabei wenig. Wir Christenmenschen sind Kinder unserer Zeit und nicht nur Beobachter. Wir stecken selber mitten drin in diesen inneren und äußeren Veränderungsprozessen, so Bornschein weiter. Diese Einsicht helfe, andere Menschen auch jenseits der Kirche besser zu verstehen.
Hier sterben Bäume (Foto: M. Bornschein)
Zur Verdeutlichung zeichnet Michale Bornschein seinen Zuhörern ein Bild vor Augen. Im Hochharz sterben derzeit massenhaft Bäume durch den Borkenkäfer-Befall. Ein fürchterliches Bild für alle, die im Harz wandern und einen intakten Wald sehen wollen. Die sterbenden Bäume aber machen so Platz für etwas Neues. Hier stirbt nicht der Wald, hier sterben Bäume, heißt es auf Informationstafeln im Nationalpark. Michael Bornschein überträgt dieses Bild auf die Kirche heute. Wir werden von manchem, auch von Liebgewordenem Abschied nehmen müssen. Das ist eine mehr als schmerzliche Erfahrung. Aber diesem Sterbeprozess wird etwas Neues folgen, eine andere Art von Kirche wird aus diesen Veränderungen hervorgehen. Das Reformationsjubiläum 2017 sollte helfen, den Blick wieder mehr auf den Samen des Evangeliums im alltäglichen Leben zu legen als zu viel Kraft in große Events zu geben, die kaum den erhofften Effekt erzielen.
Zum Abschluss seines Vortrages ermunterte Michael Bornschein die Zuhörer mit hilfreichen Einsichten, beginnend mit Martin Luther: Das Evangelium ist ein fahrender Platzregen, wir haben es nicht in der Hand, ob und wie Gottes Wort Menschen erreicht oder nicht. Und sogleich folgte eine weitere, bildreiche Verdeutlichung: Darin verglich er die kirchlichen Veränderungen unserer Zeit mit einem großen Garten. Bisher waren für seine Pflege viele Gärtner zuständig. Nun sind es weniger geworden. Der Garten aber blieb in seinem Umfang gleich. Nun können die verbleibenden Mitarbeiter überlegen, ob sie alles so weiter machen wie bisher, nur nicht mehr so schön und tiefgreifend oder ob sie mehr arbeiten als vorher, um das Pensum zu schaffen. Beides wäre wenig sinnvoll. Im ersten Falle würden sich trotz bleibender und regelmäßiger Arbeit Unkraut ausbreiten. Mit der Erkenntnis, nicht alles schaffen zu können, wären Frust und Unzufriedenheit verbunden. Im zweiten Fall würden die Mitarbeiter irgendwann überarbeitet sein und ein hoher Krankenstand das ganze Vorhaben zum Scheitern bringen. Der gesamte Garten wäre gefährdet. Ein dritter Weg könnte Abhilfe schaffen: Der Garten erfährt in seiner Kernzone weiterhin tätige und zu schaffende Arbeit, in den Randzonen und an geeigneten Stellen könnten Rasen oder Brachzonen zur Entlastung beitragen. Ein Schlüssel liegt in der Konzentration auf das, was Gemeinden von sich aus wollen und können, als Kirche vor Ort, als Kirche im Ort, als Kirche für den Ort.
Mensch, ist die Kirche noch zu retten? Nein und Ja. Nein, weil Veränderungen auch unumkehrbare Abschiede sind. Ja, weil im derzeitigen Veränderungsprozess nicht eine ganze Kirche stirbt, sondern eine Form von Kirche, die uns seit Kindertagen vertraut ist. So sei am Ende Altbischof Prof. Axel Noack zitiert, der nach manch ergebnisloser Sitzung gesagt hat: An uns kann es nun wirklich nicht liegen, dass es die Kirche immer noch gibt.
Im Anschluss an den Vortrag gab es Kaffee und Kuchen, dazu anregende Gespräche und eine intensive Austauschrunde mit dem Referenten.
In diesem Jahr fand das Bonhoeffer-Wochenende in Niedersachswerfen zum zehnten Mal statt. Im kommenden Jahr feiert die Gemeinde das 10-jährige Bestehen dieses Wochenendes.
Superintendent Andreas Schwarze