Sonntag, 27. Mai 2018, 03:42 Uhr
Ein Moment des Glücks
von Regina Englert
Für mein ganz besonderes Erlebnis bei der 2. Zukunftswerkstatt in Urbach sind Lea Schnell und Lukas Nießen, zwei der jüngeren Teilnehmer, verantwortlich.
Doch der Reihe nach:
Gleich zu Beginn des Tages war ich mit der Frage unterwegs: "Was war dein schönstes Erlebnis mit Kirche? Und was war das Schöne daran?
Ich hatte mir als Gesprächspartner drei junge Menschen aus der Runde ausgesucht, neugierig, was sie so berichten würden.
Zwei der von mir befragten, Lea und Lukas, überlegten lange, bevor sie mir antworteten. Klar, dachte ich, die Beiden sind jetzt altersbedingt auch noch nicht soooo lang mit Kirche unterwegs, da muss man schon mal nachdenken.
Doch was dann kam überraschte mich ehrlich und sorgt jetzt noch für Gänsehaut, wenn ich daran denke.
Kirche, erzählten mir beide unabhängig voneinander, sei für sie eine herzliche und fröhliche Gemeinschaft, die sie vergleichbar nirgends fänden. UND diese Gemeinschaft werde Kirche auch in Zukunft tragen, da sind sie voller Vertrauen.
Dieses Vertrauen schien so tief und unerschütterlich, dass ich für einen Moment überlegte jetzt nach Hause zu gehen. Wodurch sollte diese Erkenntnis heute noch übertroffen werden? Ich war bewegt, nachdenklich und von einer unglaublichen Zufriedenheit erfüllt. Zugleich aufgewühlt. So aufgewühlt, dass ich jetzt, nachts um 4.06 Uhr, hier sitze und diesen Bericht schreibe, da ich nicht zur Ruhe komme.
Wer sind die beiden?
Lea Schnell stellt die Idee des Mentoring vor (Foto: R. Englert)
Lea Schnell kam als Studentin von Schwerin nach Nordhausen und fand im Rahmen einer Orientierungswoche an der Uni im KILA (Kinder-Kirchen-Laden in St. Blasii, Nordhausen) ihre ehrenamtliche Heimat. Die vertrauten Lieder, der Umgang mit den Kindern, das hat mich gleich angesprochen, das kannte ich von zu Hause, sagt sie. Seither ist sie dort aktiv.
Lukas Nießen, der seinen Bundesfreiwilligen Dienst bei der Herzschlag Jugendkirche absolviert, kommt gebürtig aus Wuppertal und möchte gern Jugendreferent werden. Jugendleiter hält er von Haus aus für eine ganz besondere Spezies Mensch. So ein bisschen "durchgeknallt", müsse man schon sein, sagt er, um immer wieder mit neuen, manchmal ausgefallenen Ideen voran zu gehen, um junge Leute für den Glauben zu begeistern.
Er und auch Lea Schnell halten die Herzlichkeit im Miteinander für die große Stärke der Kirche. Nirgends werde man so individuell mit seinen Talenten aufgenommen wie bei der Kirche. Wenn du beim Fußball nicht ordentlich kickst, dann bist du draußen. Bei der Jugendkirche machst du die Technik, die Deko, gestaltest den Gottesdienst mit, stehst hinter der Theke, machst Musik, was auch immer, jeder findet seine Nische und ist gleich viel wert, erzählt Lukas mir aus tiefer Überzeugung.
Dieses offene Aufeinander-Zugehen aller Generationen, aller sozialer Schichten, die gemeinsame Basis durch den Glauben, wo gibt es denn Vergleichbares?, fragt mich die Studentin Lea.
WOW!
Manchmal muss man wohl von der Jugend an die uralte Kraft der Gemeinde erinnert werden, schmunzle ich jetzt mit ein wenig Abstand. Das Glücksgefühl, das ich nach diesen Gesprächen hatte, wird wohl noch länger anhalten.
In einer weiteren Gesprächsrunde ging es um das "Erwachsenwerden im Glauben". Beide hatten sich der Gruppe um Pfarrer Meinhold angeschlossen, der das Thema eingebracht hatte.
Lukas Nießen - vorn rechts - hat Mentoring bereits erlebt (Foto: R. Englert)
Ganz konkret stellten sich Lea und Lukas darunter zum Beispiel eine Art "Mentoring" vor. Junge Menschen sollten einen älteren aus der Gemeinde als Mentor oder Paten an die Seite gestellt bekommen. Manchmal hat man Fragen zu einer Bibelstelle, die man nicht versteht, manchmal hat man einen Film gesehen und möchte mit jemandem darüber sprechen, manchmal sind es ganz persönliche Erlebnisse, über die man einfach mit jemandem reden muss.... Es gäbe so viele Gelegenheiten, bei denen sich beide wünschen einen Mentor zu Seite zu haben.
Oh, Schreck...wie würde ich reagieren, wenn mich jemand fragt, ob ich sein Mentor sein könne? Ich könnte ihm doch gar nicht alle Fragen beantworten. Ich bin doch kein Pfarrer!
Doch im Laufe des weiteren Gesprächs stellten wir fest, dass die Antworten auch gar nicht des Rätsels Lösung sind. Manchmal reicht Zuhören, ein bisschen Lebenserfahrung und die gemeinsame Suche nach einer Antwort. Und wenn man beispielsweise an einer Bibelstelle hängen bleibt, dann kann man immer noch beim Pfarrer um Rat fragen.
Wieder WOW, da wollen junge Menschen echte Beziehungen, keine Whatsapp-Seelsorge. Ich glaube es ist höchste Zeit, dass wir wieder mehr miteinander ins Gespräch kommen - ältere und jüngere. Kennen wir die Bedürfnisse der Jungen wirklich?
Und dieses Konzept, meinten übrigens beide, beträfe ja nicht nur Alt & Jung. Jeder, der mag könne einen Mentor oder Paten an die Seite gestellt bekommen. Manchmal brauche man eben auch einen Gesprächspartner jenseits der Familie.
Ist das nicht genau das, was Gemeinde ausmacht? Gemeinsam über den Glauben im Gespräch sein, sich umeinander kümmern?
Was bleibt zu tun? In den Gemeinden könnte zunächst rundgefragt werden, wer sich auf solch eine persönliche Beziehung einlassen würde und wer sie umgekehrt gern in Anspruch nehmen möchte?
Ergänzend kam noch die Idee, auch den eigentlichen Paten der Täuflinge anzubieten, sie in Kursen fit zu machen, ihre Patenkinder auch geistlich zu begleiten.
Nimmt man die Idee auf, dann gibt es einiges zu tun. Mal gespannt, ob mir das Konzept irgendwann wieder begegnet.
Doch jetzt wünsche ich eine gute Nacht, bleibt behütet
eure
Regina Englert