Du hast ja Recht, Gabriel

Die Erzengel hatten mal wieder Beratung. Mancherlei Probleme wurden besprochen: Gebete über facebook, Schutzengel für selbstfahrende Autos oder was tun, wenn die Menschen keine Hilfe wollen… Alltagssorgen der Engel eben. Für ein Problem, DAS große Problem, hatten sie heute Gottvater zur Beratung eingeladen. Michael sprach es als erster an: „Vater, die Menschen machen zu viel Böses: Kriege, hungernde Kinder, Flucht und Vertreibung. O Gott, es muss etwas passieren! So geht es nicht weiter mit dieser Welt. Am Ende machen sie alles kaputt.“
Ratlosigkeit machte sich breit. Was kann man da tun? Nach einigen unbrauchbaren Vorschlägen sagte Raphael: „Vielleicht sollte einer von uns runter gehen auf die Erde und mit den Menschen sprechen.“ Uriel, der unter seinem geringen Bekanntheitsgrad litt, widersprach: „Das bringt nichts. Es waren doch schon so viele da: Mose, Josua, Elia, Jesaja…“ „Ich weiß“, unterbrach ihn Gottvater. „Dann gehe ich eben selbst.“
Die Engel waren entsetzt: „Das geht nicht. Es glauben ja nicht mal alle an dich. Die hören dir gar nicht zu. Das geht schief!“
„Ja“, sagte Gott. „Das wird schief gehen. Das muss sogar schief gehen. Nur so kann ich den Menschen helfen. Es beginnt im armen schmutzigen Stall und endet am Kreuz.“
Gabriel, der sich für den Obersten der Erzengel hielt, sagte im ernsten Ton: „Nein, Gott. Das geht nicht. So kannst du es nicht enden lassen!“
Es entstand eine lange Pause, bis Gottvater endlich antwortete: „Du hast ja Recht, Gabriel. So lasse ich es auch nicht enden.“

Gregor Heimrich