Dienstag, 07. April 2020, 05:11 Uhr
Gern würde Marcus Bornschein die Tür zur Jugendkirche weit aufreißen und alle Willkommen heißen, aber genau das geht gerade überhaupt nicht. (Foto: Herzschlag Jugendkirche)
Lieber Marcus, du hast deinen Dienst im Kirchenkreis Südharz als Referent für die Arbeit mit Jugendlichen zum 1. März begonnen. Herzlich willkommen! Alles hätte so schön sein können, doch nun musst du gleich erleben, wie dein Start von Corona mächtig ausgebremst wird. Eigentlich wäre es doch die Zeit gewesen, in der man sich in Ruhe einmal in allen Gruppen umschaut, Leute kennenlernt, Kontakte knüpft. Und nun Kontaktverbot!
Wie bist du damit umgegangen? Was konntest du trotzdem tun, um im Kirchenkreis, in der Jugendkirche anzukommen?
M.B. Ich konnte die Zeit nutzen, um mich mit meiner Kollegin Sophie Knappe in die Übergabe zu stürzen (Sie ist ab nächsten Montag in Elternzeit). Hier gibt es doch eine ganze Menge, was Gebäude, Finanzen, Mitarbeiter, Teams, Aufgaben, FSJler usw. angeht. Im laufenden Betrieb wäre das wahrscheinlich zu kurz gekommen.
Wie bleibt ihr, das Team und du, mit den Jugendlichen trotzdem in Kontakt?
M.B. Wir haben mit allen interessierten Jugendlichen (ca. 50) eine Whatsapp-Gruppe gegründet, da stellen wir jeden Tag einen Bibelvers, zusammen mit einem kurzen Impuls von uns als Team, ein. Die Jugendlichen kommen dann über den Vers ins Gespräch. Ich bin froh und dankbar für die tiefgründigen Kommentare.
Daneben produzieren wir, federführend durch die FSJler, das Format Spaß mit Bibel. Angelehnt an eine bekannte TV Serie beschäftigen wir uns in jeder Folge mit einer anderen Bibelgeschichte, die auf spaßige und gleichzeitig tiefgründige Weise angeschaut wird. Drei Tage Arbeit investieren wir in eine Folge im Durchschnitt.
Einige Jugendgruppen halten wir jetzt online mit einer meeting app ab. Das kann auf keinen Fall den realen Kontakt ersetzen, ist aber gut, um sich zu sehen und auszutauschen. Wir haben hier die Möglichkeit, trotzdem eine Art von Verbundenheit zu erleben, kommentieren die Jugendlichen.
Daneben bleibt das Team persönlich mit den Jugendlichen durch Chat und Telefon in Kontakt.
Und dann gleich die Aufzeichnung mit der OnlineKirche – die ja recht spontan auf dich und das Team zukam, wie war das für euch? (Hintergrund: am letzten Sonntag lief eine Live-Andacht über Instagram mit der OnlineKirche der EKM, aufgezeichnet in unserer Herzschlag-Jugendkirche)
M.B. Insgesamt war es eine gute Erfahrung. Es gab auch schon positive Rückmeldungen von den Jugendlichen: Es war schön den Gottesdienst überhaupt erleben zu können, unsere Kirche, unseren Altar, unsere Lieder, das hat Verbundenheit geschaffen. Wir haben hier auch kein ganz neues Format versucht. Die Aufzeichnung hat Herzschlag gut getan und für mich war es mein 1. Herzschlag Gottesdienst.
Was hat dich an der Stelle im Südharz gereizt?
M.B. Das System, dass es einen zentralen Ort gibt, an dem viel passiert und dass man von da aus in die Fläche geht. Ich finde, es braucht ein Zentrum und von da aus strahlt die Arbeit zurück in die Gemeinden. Und hier im Kirchenkreis ist nichts in Stein gemeißelt. Die Jugendkirche ist ein Projekt, in dem man vieles ausprobieren kann und bei dem auch mal was schief gehen darf. Dann versucht man was Neues. Das ist ein schönes Arbeiten.
Magst du uns ein paar biografische Daten verraten?
M.B. Ich bin Baujahr 1982, seit 11 Jahren verheiratet, habe 1 Sohn, den Samuel, er ist gut 1 Jahr. Ich selbst komme aus der Nähe von Weimar, vom platten Land. Nach dem Abi kam der Zivildienst, dann am CVJM-Kolleg in Kassel Ausbildung zum Jugendreferenten und parallel in Erlangen Pädagogik und Philosophie auf Magister studiert. Ich habe vor Nordhausen an 2 Stellen gearbeitet, als Jugendreferent in Mühlhausen und in Mittelfranken.
Was hat dich bewegt deinen beruflichen Weg einzuschlagen?
M.B. Ich bin kirchlich sozialisiert, schon mein Vater war im Gemeindekirchenrat – ich selbst in der Kindergruppe, im Kinderchor, im Posaunenchor. Nach dem Abi habe ich überlegt, wie kann es weitergehen? Durch die Jugendreferenten, die ich hatte und die Pfarrer, kam ich auf die Idee, was ich damals ehrenamtlich gemacht habe und gut kann, zum Beruf zu machen. Es ist schon so eine Art Berufung für mich das zu machen. Was mich heute noch daran bewegt, ist, dass ich alles machen kann, woran ich Spaß habe, ich kann mich in vielen Bereichen ausprobieren. Es sind zwar traumatische Arbeitszeiten – aber es ist eine traumhafte Arbeit.
Wie geht es deiner Familie nach dem Umzug – neu hier und dann gleich Kontaktverbot?
M.B. Für die Familie ist es schwer jetzt hier anzukommen, weil im Moment so gar nichts geht. Einkauf ohne Kind, das mache ich. Der Kleine brauchte jetzt eigentlich Kontakt mit Musik- und Sportgruppen, tja und dann kam Corona. Meine Frau ist noch ein Jahr zu Hause, sie ist Heilerziehungspflegerin. Mal sehen, was sich dann entwickelt, sie kann sich jetzt in Ruhe umhören.
Was gibt dir derzeit Kraft?
M.B. Dass ich im Team arbeiten darf und dass es da eine Routine gibt – ein bisschen Normalität wenigstens. Dafür bin ich dankbar. Und dass wir durch die digitalen Medien mit den Jugendlichen in Verbindung bleiben können. Nur zu Hause sitzen und nichts tun zu können, wäre schwierig für mich.
Gibt es auch Positives an der aktuellen Situation?
M.B. Wir haben viel Stellenübergabe machen können, das wäre sonst nebenbei gelaufen, dafür ist nun mehr Zeit. Eigentlich wären wir jetzt im Konfi-Camp, da wäre erstmal richtig was los.
Auch die Arbeit mit den Kollegen ist eine schöne Erfahrung: Simon Roppel, der vorherige Jugendreferent, und auch meine aktuellen Kollegen sind immer erreichbar, das tut gut zu wissen.
Was möchtest du den Jugendlichen sagen, die jetzt das Kontaktverbot erleben?
M.B. Das Grundlegende: habt Geduld und haltet durch! Lasst euch nicht runterziehen von dem doch anderen Alltag. Versinkt nicht in Netflix und Spielen. Habt den Mut, eure Beziehung zu Gott neu zu entdecken, die Zweisamkeit mit Gott in der Einsamkeit zu suchen und an ihm dranzubleiben. Sucht die Möglichkeiten mit Gott im Kontakt zu bleiben. Egal über welche Formate. Macht euch auf, bleibt dran!
Und wer sich jetzt fragt, ob Marcus Bornschein, mit unserem ehemaligen Superintendenten Michael Bornschein verwandt ist, dem sagt Marcus Bornschein ein schmunzelndes "Nein".
Geschmunzelt hat er deshalb, weil ich meine Interviewfragen an ihn unter Michael Bornschein abgespeichert hatte. Was wir dann mit einem gemeinsamen fröhlichen Lachen quittiert haben.
Das Gespräch führte Regina Englert.