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30 Jahre Nordthüringer Lebenshilfe - Leben wie andere auch - der Wohnverbund

Donnerstag, 24. Juni 2021, 04:45 Uhr
Der Wohnverbund der Nordthüringer Lebenshilfe
- 30 Jahre Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH -
Silke Schreiber und Dayenne Döring (v.l.n.r.) (Foto: R. Englert) Silke Schreiber und Dayenne Döring (v.l.n.r.) (Foto: R. Englert)

„Selbständige, glückliche Menschen, sind das Schönste, was man als Mitarbeiter erreichen kann“, erklärt Leiterin Silke Schreiber beim Gang durch die Häuser des Wohnverbundes der Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH (NL). Wohnen für Menschen mit Behinderung ist in den drei sehr unterschiedlichen Häusern mehr als Versorgung, Unterkunft und Verpflegung. Es geht um Eigenständigkeit und Gemeinschaft, Geborgenheit und Privatsphäre. Solche Wohnmöglichkeiten zu schaffen war eines der ersten Ziele von Geschäftsführerin Tilly Pape bei der Gründung der Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH vor 30 Jahren. „Satt und sauber, hatten wir lange genug“, erinnert sie sich betrübt an die Versorgung Schwerstbehinderter. Junge behinderte Menschen, die in Schlafsälen zwischen Pflegebedürftigen in Altenheimen untergebracht waren, das konnte sie schwer ertragen. So entstand über die Jahre in den drei Häusern der Lebenshilfe das Zuhause von 81 Menschen zwischen 18 und 74 Jahren.
Der Wohnverbund
Den Vorteil des kurzen Arbeitsweges haben seit 2001 die Bewohner des Wohnheims „An der Justus-Jonas-Kirche“. Es liegt gleich neben der Hauptwerkstatt der Nordthüringer Werkstätten. 48 lern-, geistig-, seelisch- oder mehrfachbehinderte Menschen fanden hier ihr Zuhause. „Das ist für uns wie Familie“, erzählt Silke Schreiber von ihrer Arbeit. Die Bewohner seien feinfühlig, aber manchmal eben auch sehr direkt. „Einfach ehrlich“, nennt sie es und erinnert sich an so manche Geschichte. „Da ist dein Kleid auch schon mal `echt hässlich`“, grinst sie. Immer heiß begehrt hingegen ist bei den Bewohnern Mitarbeiter „Diskomann“ Benjamin Schmidt mit seiner Flurdisko. „Bei uns sind es halt nicht die „Kleinen“ wie zu Hause, sondern Erwachsene mit ihren eigenen Bedürfnissen“, erläutert Koordinatorin Dayenne Döring das Konzept. Dazu zählt auch die entspannende Intimsphäre im Pflegebad. Ein hohes Maß an leicht bedienbarer Technik erlaubt den Bewohnern große Selbständigkeit. „Und für die Mitarbeiter ist das sehr rückenschonend“, ergänzt Silke Schreiber begeistert.
Silke Schreiber im Konsum des Wohnheims An der Justus-Jonas-Kirche (Foto: R. Englert) Silke Schreiber im Konsum des Wohnheims An der Justus-Jonas-Kirche (Foto: R. Englert)

Dass Förderung viele Gesichter haben kann, zeigt neben den vielen Freizeitangeboten der hauseigene Konsum. An gut bestückten Regalen lässt sich hier das Einkaufen in aller Ruhe trainieren. Dass sie bei all dem keinem „Turbopflegeschlüssel“ unterliegen und jedem seine Zeit gönnen können, ist für das Betreuerteam ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit.
Wer im Wohnheim „Am Gehege“ wohnt hat ein deutlich höheres Maß an Selbständigkeit vor Augen: vom Einkauf übers Kochen, bis zu Arztbesuchen und Behördengängen, eigenständiger Mobilität, aber auch der Planung von Freizeitaktivitäten. Auf dem Grundstück in der Riemannstraße in der Nordhäuser Oberstadt, wird gerade umgebaut. „Im ehemaligen Hausmeisterhaus entstehen 3 barrierefreie Wohnungen“, berichtet Verwaltungsleiter Christian Völkel. Anschließend folge der Umbau der Jugendstilvilla. Heike Triemer leitet dieses Wohnheim mit seinen 18 Bewohnern und zudem die AWG Außenwohngruppe. „Wie individuell unsere Unterstützung ist, wird besonders an den Paarwohnungen deutlich“, erklärt sie. Ein Leben zu zweit biete neue Herausforderungen, auch hier stehe man beratend zur Seite.
„Wer in der AWG – Außenwohngruppe in der Hesseröder Straße wohnt, ist richtig fit, der fährt sogar mit dem Rad zur Arbeit in unsere Werkstätten“, erzählt Triemer. Hier erhält man nur noch so wenig Unterstützung wie möglich, aber so viel wie nötig. 16 helle Wohnungen samt Küche und Bad, inklusive 3 Rollstuhlwohnungen sind hier entstanden. „Schwimmbad, Stadtpark, Supermarkt und Friseur sind schnell erreichbar“, freut sich Geschäftsführerin Tilly Pape über diese letzte Stufe des betreuten Wohnens.
Sorgen bereitet allen Verantwortlichen noch die Situation ihrer Bewohner nach dem Eintritt ins Rentenalter. „Unsere Wohnformen sind fördertechnisch anhängig von einer beruflichen Beschäftigung“, erklärt Pape. „In normalen Altenpflegeheimen ist man auf diese Menschen nicht eingestellt“, ergänzt Schreiber. Derzeit lebt eine kleine Rentnergruppe im Wohnheim „An der Justus-Jonas-Kirche“. Sie führen ein sehr aktives Leben, übernehmen kleine Aufgaben, gehen Einkaufen und kochen teilweise selbst. „Was sie nicht mehr schaffen, das wird ihnen bei uns ganz selbstverständlich abgenommen“, erläutert Döring das Konzept. Vor allem aber können die Menschen zu Hause bleiben. Kostenträger, Landratsamt, Betreuer und Bewohner arbeiten eng zusammen, damit das möglich ist. „Und hoffentlich bald selbstverständlich ist!“, wünscht sich Tilly Pape.
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