Beherbergt - Christusdorn von Pf.i.R. U. Stabe

(re) Sonntagmorgen, Zeit für den Gottesdienst. Aber die evangelischen Gemeinden Nordhausens pilgern heute im Südharz. Gern hätte ich mitgemacht, aber die Gesundheit... Da fällt mir ein: Die Christen aus Eritrea feiern ihren Gottesdienst in unserm Gemeindesaal, allerdings schon seit einer Weile. Soll ich da stören?
Ein junger Afrikaner in Hemd und Jeans steuert aufs Pfarrhaus zu. Er nimmt mich mit hinein. Drin berührt er mit der Stirn den Fußboden. Etwa 20 Menschen sind im Raum - Männer links, Frauen rechts - dazwischen fast zehn Kinder, ganz still und konzentriert! Alle (außer uns Verspäteten) sind in durchsichtig weiße Tücher gehüllt, die bei den Frauen auch die Haare bedecken, ihre farbigen Kleider aber hindurchleuchten lassen.
Statt eines Altars lenken zwei Bilder (Ikonen?) die Blicke nach vorn.
Während der Gottesdienstleiter in einem schneller werdenden Sprechgesang betet, antwortet die Gemeinde ‚Amen‘, alle stehen, manche verbeugen sich spontan. Das kann ich mitvollziehen. Bibeltexte werden selbstverständlich auch von Kindern und Frauen vorgelesen. Obwohl ich außer ‚Jesus‘ und ‚Paulus‘ kein Wort verstehe, bin ich tief berührt von dem ehrfürchtigen Ernst und der zugleich glaubwürdigen Natürlichkeit dieser Feier. Ich empfinde manches als fremd, fühle mich aber nicht fremd unter diesen Christen. Sie sind bei uns zu Gast, heute bin ich es bei ihnen. „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“
(Luther-Bibel, Hebr. 13,4)
Ulrich Stabe Pfr.i.R., Ev.Blasiigemeinde Nordhausen