Glück gehabt oder Dankbarkeit? Christusdorn von G. Zeh

(re) Ist es nicht schön, jemanden danken zu können, wo andere nur sagen: „Glück gehabt“? Christen können das.

Jeder von uns kennt Situationen oder Dinge, wo uns anders als beim Geburtstagsgeschenk unerwartet oder bedingungslos etwas Gutes geschieht.
Neulich hatte ich im Schnellrestaurant meine Tasche mit Geld, Ausweis, Handy und Schlüssel liegen gelassen. Mich rührte der Schlag, als ich den Verlust feststellte. Wie erleichtert war ich, als ich nach einer Stunde zurück kam und sie noch am gleichen Ort stand. Einfach nur Glück gehabt?
Ende September feiern Christen Erntedank. Wir haben zwar im Frühjahr mit der Saat oder mit Gartenarbeit die Grundlage für die Ernte im Herbst gelegt. Aber danach bleibt uns nur die Hoffnung auf eine gute Ernte. Dieses Jahr ist sie trotz Klimawandel und unseres fragwürdigen Umgangs mit der Natur gut ausgefallen. Also nur Glück gehabt?
Sowohl beim Glück der wiedergefundenen Tasche wie auch beim Glück der guten Ernte sehe ich über das einfache „Glück gehabt“ hinaus. Letztlich liegt es in der menschlichen Natur, dass es schön ist, wenn man jemand danken kann. Ich habe einen Adressaten, von dem ich glaube, dass ich ihm unser Glück verdanke: Nämlich Gott, unserem guten Vater im Himmel. Deshalb feiern wir in den Kirchen das Erntedankfest. Wir feiern Gottes Güte, loben, ehren und danken ihm im Singen und Beten.
Auch für die wiedergefundene Tasche habe ich Gott gedankt und mich gefreut, dass ich dafür einen Adressaten hatte.

Zu DDR-Zeiten wurde der kirchliche Erntedank folgendermaßen konterkariert: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein.“ Was für ein anmaßender und hochmütiger Satz!
Ich halte dagegen mit dem Ausspruch, der dem evangelischen Pfarrer Oskar Brüsewitz, der sich aus Protest gegen die DDR-Diktatur verbrannt hat, zugeschrieben wird: „Ohne Sonnenschein und Gott geht die ganze Welt bankrott.“

Gisela Zeh
Domgemeinde