Donnerstag, 04. Februar 2010, 18:20 Uhr
Briefmarke King (Foto: Frank Tuschy)
Zwischen Dienstag und Donnerstag der kommenden Woche wird es zeitweise voll in den Nordhäuser Straßenbahnen. Gemeindepädagoge Frank Tuschy besetzt mit Kindern verschiedener Altersgruppen die freien Plätze in den Bahnen auf den beiden Stadtlinien. Spielerisch werden die Jungen und Mädchen wetteifern, wer es schafft, seinen Sitzplatz einem älteren Menschen, einer Mutti mit Kind oder einfach nur einem Fahrgast mit müden Beinen anzubieten. Einen Punkt erhält derjenige, der seinen Platz erfolgreich an den Mann oder an die Frau bringen konnte. Abgesehen von den kleinen Preisen für die Sieger werden alle Kinder bei diesem Spiel gewinnen. Sie gewinnen, was es nicht zu kaufen gibt: Sicherheit im Umgang mit anderen, Offenheit, Wissens- und Charakterbildung.
Hinter dieser Spielidee steckt eine wahre Geschichte. Seit drei Wochen beschäftigen sich die Kinder in den KILA – Gruppen mit der Lebensgeschichte des amerikanischen Bürgerrechtlers und Baptistenpastors Martin Luther King.
Vor gut 50 Jahren, war in den Südstaaten der USA trotz anders lautender Gesetze die Rassentrennung und die ständige Benachteiligung der farbigen Bevölkerung ein großes Problem. Die Schwarzen durften beispielsweise in Bussen nur hinten einsteigen. Sie mussten sich in extra Reihen setzen und der weißen Bevölkerung umgehend ihren Platz anbieten. Als Rosa Parks aus Montgomery im US-Staat Alabama nicht für einen Weißen aufstand, kam sie dafür ins Gefängnis. Damit begann der Montgomery Busboykott, den Martin Luther King mit anführte. Dieser gewaltlose Widerstand in den Jahren 1955/1956 leitete das Ende der Rassentrennung in den USA ein.
In Bussen und Bahnen muss heute niemand mehr wegen seiner Hautfarbe aufstehen. Bemerkt man aber, dass Mitmenschen aus gesundheitlichen Gründen einen Sitzplatz benötigen, sollte diese Tugend selbstverständlich sein. Auch die Nordhäuser Stadtwerke haben seit 2008 im Rahmen ihrer Aktion Freundlich, höflich, ehrlich - ein gutes Gefühl darauf hingewiesen. Daher freut sich Anett Hellwing von den Nordhäuser Stadtwerken über Tuschy’s Spielidee. Ihrer Ansicht nach bleiben in unserer schnelllebigen Zeit Tugenden wie Freundlichkeit und Höflichkeit oft auf der Strecke. Zu wenige Eltern vermitteln ihren Kindern zu Hause noch die Grundformen des rücksichtsvollen Umfangs miteinander. Wie viel freundliche Worte und Aufgeschlossenheit bewirken, kann jeder selbst ausprobieren. Auch die Kinder lernen ganz nebenbei, dass sie Punkte sammeln können mit Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und dem Mut den es erfordert, einem anderen Menschen Hilfe anzubieten.
Frank Tuschy sorgt mit seiner Idee dafür, dass diese Tugenden nicht irgendwann Schnee von gestern sind oder ganz vergessen werden. Die Nordhäuser Stadtwerke und der Kinderkirchenladen der Evangelischen Kirchgemeinde St. Blasii-Altendorf wollen künftig zusammenarbeiten und in diesem Jahr gemeinsam die Initiative Freundlich, höflich, ehrlich - ein gutes Gefühl gestalten.