Montag, 08. Februar 2010, 12:37 Uhr
Die Dorfkirche St. Martin zu Kehmstedt hat schon viel erlebt. Mit einem Alter von mehreren 100 Jahren könnte das Kirchengebäude viele Geschichten erzählen. Inwieweit die Beobachtun-gen der letzten 3 ... 4 Jahre besonders zu werten sind, mag jeder für sich entscheiden.
Wie früher schon, fanden in den letzten Jahren interessierte Bewohner der Gemeinde Kehm-stedt den Weg in ihre St. Martin´s Kirche. Nur sollte der Besuch der Kirche nichts besonderes sein. Zu den Zeiten, wo man sich in der Kirche traf, fand kein Gottesdienst statt und die hand-werklich begabten Herren und z. T. auch Frauen fanden sich in Arbeitskleidung ein.
Es hatte sich im Dorf herumgesprochen, dass die Dorfkirche St. Martin Hilfe braucht und mit dem Ziel Unsere Kirche muss erhalten werden bzw. Unsere Kirche muss im Dorf bleiben ging es ans Werk. Natürlich war den Herren aus Kehmstedt klar, dass man in einem solch alt-ehrwürdigen Gotteshaus nicht einfach drauflos werkeln kann. In der Vorbereitung galt es mit Behörden und Fachämtern zu sprechen und zu beraten, denn die Arbeit soll ja gelingen.
Da man bei Kirchen nicht von Zufällen spricht, war es wohl eine gute Fügung, dass sich ein früherer Bürger von Kehmstedt, Herr Gerd Srocke, der jetzt in Halberstadt als Architekt arbeitet, dieses zu leistende ehrenamtliche Engagement mit unterstützt.
So wurde u. a. die Eingangshalle der Kirche komplett instand gesetzt und der Kircheninnen-raum mit einem neuen Kalkanstrich versehen. Neben der ehrenamtlichen Arbeit zur Erhaltung der Dorfkirche St. Martin konnte seitens der Kirchengemeinde und des gesamten Dorfes der Glockenstuhl mit Glocke und der Turmhelm umfassend saniert werden.
Seit 2006 mussten die sich einstellenden Risse am Turm stärker betrachtet werden. Es wurde festgestellt, dass wie überall im Südharz zu früheren Zeiten mit Gipsmörtel und Gipsnaturstein gearbeitet wurde. So wurde auch die Dorfkirche St. Martin mit Gipsmörtel errichtet. Eine frühere Sicherungsmaßnahme, die mit Trass- und zementhaltigem Mörtel ausgeführt wurde, verstärkt das Rissbild wesentlich.
Der Architekt, Gerd Srocke, konnte auf Grundlage von langjährigen Erfahrungen dem Gemein-dekirchenrat und den ehrenamtlichen Helfern den Umgang mit dem historischen Gipsmörtel erläutern. Auf Grund des Wissensstandes in der Öffentlichkeit war und ist es vor allem schwer vorstellbar, die notwendigen Maurer- und Putzarbeiten am Kirchturm und Kirchenschiff mit ei-nem Gipsmörtel auszuführen.
In einer Baubesprechung in Kehmstedt im Jahr 2007 wurde seitens der ehrenamtlichen Helfer der Wusch vorgetragen, den bereits lockeren Außenputz des Kirchenschiffes, komplett neu auszuführen. Wir können unsere Kirche nicht mit einem kaputten Kleid stehen lassen war die einhellige Meinung. Im ersten Augenblick war dem Architekten Gerd Srocke nicht wohl bei dem Wunsch aus der Gemeinde, da die Probleme mit dem Gipsmauerwerk den Fachfirmen schon einiges an Kopfzerbrechen bereitete. Doch mit dem notwendigen Gottvertrauen und dem Wis-sen, dass in Kehmstedt so etwas geschafft werden kann, ging es ans Werk.
Die Frage nach dem Putzmörtel musste geklärt werden. Unter Beachtung des historisch ver-wendeten Gipsmörtels wurde sich für einen traditionell gebrannten Hochbrandgips entschieden. In Hundisburg (Sachsen-Anhalt) wurde das traditionelle Brennen von Hochbrandgips neu belebt und wird seit einigen Jahren erfolgreich praktiziert.
Das Anlegen von Probeflächen an der Südfassade wurde mit besonderer Aufmerksamkeit ver-folgt. Der erstmalige Umgang der Kehmstedter mit dem Hochbrandgips hat einmal die hand-werklich Beteiligten aber auch die Denkmalbehörden überzeugt. Die denkmalrechtliche Ge-nehmigung konnte erteilt werden.
Mit finanzieller Unterstützung des Südharz-Kirchenkreises konnte im Jahr 2008 mit der Südfas-sade begonnen werden. Mit Erstellung des Gerüstes ging es endlich los. Das Abnehmen der Reste des früheren Gipsputzes, der mindestens 150 Jahre alt war, hat die Probleme im Mauer-werk offengelegt. Man konnte viele Spuren von früheren Bauabschnitten und Mauerwerksschä-den sehen. Die Mauerwerksreparatur hat den Beteiligten ein erstes Mal den handwerklichen Aufwand offengelegt. Das was angefangen ist, das muss auch zu Ende gebracht werden. So geht es halt in Kehmstedt. Es ist schön, wenn man sieht, wie viele fleißige Hände auf dem Ge-rüst standen und geholfen haben. Unter der Mitarbeit des Architekten konnte dann der Hoch-brandgipsmörtel angemischt und aufgetragen werden. Ein Handwerk, dass auch in Kehmstedt erst wieder neu belebt wurde.
Zum Herbst 2008 konnte dann das Gerüst fallen. Die Kehmstedter waren von dem Ergebnis positiv überrascht. Die Bauabnahme durch die Denkmalbehörden konnte ebenfalls positiv durchgeführt werden. Es war zu diesem Zeitpunkt die erste Außenfassade, die im Freistaat Thüringen mit dem Hundisburger Hochbrandgips instandgesetzt und geputzt wurde.
Eine wichtige Arbeit fand einen guten Abschluss, der in Kehmstedt immer vom ganzen Dorf gefeiert wird. Die gut besuchte Kirche war für alle aktiv Beteiligten ein guter Lohn. Begleitet und immer mit einem guten Wort unterwegs wurde und wird natürlich alles von einem guten Geist. In Kehmstedt wohnt er bzw. wandelt sie im Pfarrhaus. Frau Junker sei es zu danken, dass es immer wieder gelingt, in kleineren oder größeren Schritten die Dorfkirche St. Martin für unsere Kinder zu erhalten.
Im Jahr 2009 war es mit einer breiten Unterstützung ein weiteres Mal gelungen, die Arbeit am Kirchenschiff voranzubringen. Es fanden sich erneut viele helfende Hände, die nach Erstellung des Gerüstes den lockeren Putz abgebrochen und das Fassadenmauerwerk instand gesetzt haben. Man konnte sehen, dass die Arbeiten mit dem Hochbrandgips bereits gut voran gingen. Ein altes Handwerk kann mit Interesse wieder belebt werden. Es konnte in diesem 2. Bauab-schnitt die Chorfassade komplett saniert werden.
Neben der materiellen Sicherstellung der Arbeiten an der Fassade des Kirchenschiffes konnte die Kirchengemeinde von Kehmstedt eine erste Sicherungsmaßnahme am Kirchturm sowie eine dringende Instandsetzung des Dachtragwerks des Kirchenschiffes sicherstellen. Allen Hel-fern sei hier nochmals Dank gesagt. Der traditionelle Dankesgottesdienst fand erneut einen großen Anklang.
Das Jahr 2010 ist noch jung und die Vorbereitungen für die Kehmstedter Fassadenbrigade haben begonnen. Der nördliche Teil des Fassadenkleides wird sich an der Steinsichtigkeit des recht jungen Mauerwerkes orientieren. Eine weitere Herausforderung für unsere ehren-amtlichen Kehmstedter Bauhandwerker. Nach dem Rückbau der losen Fugenbereiche sind hier die Fugen und die Fehlstellen im Steinmaterial mit dem bereits verwendeten Hundisburger Hochbrandgips zu schließen.
Lassen Sie uns gemeinsam die weiteren Arbeiten begleiten und das neue Kleid des Kirchen-schiffes der Kehmstedter St. Martin´s Kirche zum Herbst dieses Jahres betrachten. Ich lade Sie recht herzlich ein.
Gerd Srocke
Architekt