Dienstag, 09. Februar 2010, 13:54 Uhr
Was braucht der Mensch ist die Frage, unter der sich die Stücke dieses Programms versammeln. Sie kennt keine sichere Antwort, aber jede Zeit und jeder Einzelne sieht sich neu mit ihr konfrontiert.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Nach einer Weile braucht er auch einen Drink. Woody Allen
Das Konzertprogramm will kulturgeschichtlich weit auseinander liegende Positionen der Musikgeschichte präsentieren, die im Laufe des Abends ihre feinen Fäden inhaltlicher und formaler Anknüpfung erkennen lassen. Den kompositorischen Kontrasten wird eine markante Zusammensetzung der beteiligten Musiker entsprechen.
Die Werke:
Instrumentale und vokale Stücke von Claudio Monteverdi, der den Übergang von der Renaissance zum Barock in die Wege leitete, Songs von Kurt Weill, der im Sinne des Theaters Bertolt Brechts in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts komponierte, die Uraufführung zweier Werke des Dresdner Komponisten Friedemann Stolte, sowie ein Titel der Beatles, arrangiert von den King Singers im Stil eines Renaissance-Madrigals, werden zu hören sein.
Diese Kombination konfrontiert die Zuhörer mit stilistischen Wechseln, deren Klangidiome ganz verschiedene Assoziationen, Vorstellungen und Ideale transportieren. Die alte Musik Monteverdis führt eher in religiöse oder auch höfische Gefühle, sein Madrigal in die Sinnlichkeit italienischer Renaissance. Kurt Weill verbindet man mit der politischen, eingängigen Musik bissiger Gesellschaftskritik und kommunistischer Ideale, die Neue Musik mit den schrägen Klängen zeitgenössischer Realität, die Bearbeitung des Beatles- Songs schlägt mit Spielvergnügen den insularen Bogen zurück in die Renaissance.
Die Besetzung:
Das Programm wird von einem gemischten Chor, Blechbläsern und einem Kontrabass ausgeführt.
Blechbläsermusik führt ganz unterschiedliche Konnotationen mit sich, die im Verlauf des Programms hörbar werden: Von der festlichen Musik der Höfe, dem Pathos der Schlachten, des Gerichts und des Kampfes (Posaunen von Jericho), über religiösen Glanz (sei es bei Bach oder Bruckner) bis hin zum lustvollen Klang einer Big Band oder einer Brass Band.
Der Kontrabass wird dies in bestimmten Stilen unterstützen oder mit seinen sehr tiefen bis leise-hohen Klängen ein wirkungsvoller Kontrast sein.
Im Hintergrund:
Der inhaltliche Zusammenhang offenbart sich mit der Zeit des Hörens. In den Songs von Kurt Weill sind Anspielungen auf alttestamentliche Visionen und Verheißungen unüberhörbar, prallen religiöse Sehnsucht mit alttestamentlichem Gerechtigkeitssinn und gesellschaftlicher Gegenwart des 20. Jahrhunderts aufeinander. Das erste der beiden Stücke von Friedemann Stolte beschäftigt sich mit einer Verheißung (Jesaja 55, 1-3): genährt zu werden, sich nicht verkaufen zu müssen für etwas, das nicht satt macht.
Daraus ergibt sich eine Spannung, die weiterführt zu Themen, die mit der Grundfrage verbunden sind: was macht wohl satt, was braucht der Mensch? Reichtum? Auch den Krieg um den Reichtum? Liebe, also auch den Krieg um die/das Geliebte? Wie sieht Glück aus? Sind wir glücklich?
In den Brechtschen Texten der Weill-Songs springt einen die Frage förmlich an, wie sehr wir selbst in einer säkularisierten Welt von bestimmten Formen von Religiosität, von einer Verheißung des Wohlergehens, der Gerechtigkeit usw., von bestimmten Grundwerten jüdischer und christlicher Kultur beeinflußt sind. Welchen Einfluß hatten und haben diese Werte und Hoffnungen auf unser abendländisch-aufgeklärtes Leben und Denken?
Kurt Weill lebte mit seinem familiären jüdischen Hintergrund in diesem Spannungsfeld. Aus ihm heraus erst wird sein Schaffen musikalisch und inhaltlich denkbar.
was braucht der mensch? ist eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist, weder persönlich noch gesellschaftlich. Wir hoffen, mit unserem Programm Klangräume zu eröffnen, die von möglichen Fragen und Antworten durchzogen werden können.