Montag, 31. Oktober 2016, 07:00 Uhr
Landesbischöfin Ilse Junkermann (Foto: EKM)
Wort an die Gemeinden zum Reformationsfest 2016:
Empfangen und Weitergeben
Liebe Schwestern und Brüder in den Gemeinden!
Mit dem Reformationsfest 2016 beginnt das große Jubiläumsjahr, das Gedenken an 500 Jahre Reformation. Die Erneuerung der Kirche begann im Jahr 1517 mit der Besinnung darauf, was der wahre Schatz der Kirche ist: das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes – so die 62. der 95 Thesen. Nicht menschliche Verdienste, die gegen Geld erworben werden können, machen die Kirche reich und den einzelnen Gläubigen selig. Vielmehr sind wir reich und selig durch den Glauben: anerkannt von Gott ohne Vorbedingung um Christi willen. Die Liebe und Würde, die wir darin empfangen, macht uns aufrecht und frei. Wir können sie an Andere weitergeben und für sie da sein.
Dieser Zusammenhang ist auch 2017 aktuell: Wer etwas empfangen hat, kann es weitergeben. Als Evangelische Kirche in Mitteldeutschland sind wir reich beschenkt: Mit einer faszinierenden Kulturlandschaft, die tief geprägt wurde durch die reformatorischen Impulse für Gottesdienst und Predigt, für Bildung und soziale Verantwortung, für Kirchenbau und Kirchenmusik. In der Vorbereitung auf das Jubiläum ist dies vielen Menschen, Christen wie solchen, die keiner Kirche angehören, aufs Neue bewusst geworden. In großer Spannung dazu erfahren viele unsere gegenwärtige Situation: Wir werden immer weniger Gemeindeglieder, Stellen werden wieder und wieder gekürzt, vieles gelingt nicht mehr so wie bisher, Ehrenamtliche wie Hauptberufliche kommen vielerorts an ihre Grenzen. Wie ist das alles zu schaffen? So sind wir in einer großen Umbruchsituation, ähnlich der Situation vor 500 Jahren. Ich bin zuversichtlich, dass auch uns heute die damaligen geistlichen Erkenntnisse und Erfahrungen den Weg weisen, uns helfen, Orientierung zu finden und zu halten. Das wesentliche ist uns durch Gottes Gnade geschenkt. Darauf können wir auch heute und für unsere Zukunft vertrauen.
In diesen Tagen werden alle Kirchen, in denen regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden, eine Altar-Ausgabe der Lutherbibel 2017 als Geschenk unserer Kirche erhalten. Ich möchte Sie herzlich bitten, die neue Bibel auf Ihren Altar zu legen und aus ihr zu lesen. Damit stimmen Sie sichtbar und hörbar ein in die reformatorische Erkenntnis: Die Kirche ist ein Geschöpf des Wortes Gottes. Sie schafft oder erfindet sich nicht selbst; und sie kann sich schon gar nicht selbst erhalten. Sie entsteht – immer neu - im Hören auf Gottes Wort und im Empfang der Sakramente.
Auch unsere Kirchengebäude sind solch ein Geschenk. Sie sind uns von den Vorfahren anvertraut, für uns selbst und für alle Menschen. Gott hat ein offenes Herz für alle. Sehr viele Menschen haben heute in einer lärmenden und überreizten Gesellschaft das Bedürfnis, in einer Kirche Ruhe und Besinnung zu finden. Ich bitte Sie, ernsthaft über eine Öffnung Ihres Kirchgebäudes nachzudenken, damit Menschen auch auf diese Weise dem wahren Schatz der Kirche begegnen können: Der bedingungslosen und ermutigenden Gegenwart Gottes.
Zum Reformationsjubiläum sind große Veranstaltungen geplant. Sehr dankbar bin ich, dass wir diese großen Feiern – zum ersten Mal in der Geschichte unserer Kirchen! – mit Glaubensgeschwistern aus der katholischen Kirche und anderen christlichen Kirchen gemeinsam als großes Christusfest begehen werden.
Ob am 31. 10. 2016 in Lund beim gemeinsamen Gottesdienst mit Papst Franziskus und dem Lutherischen Weltbund, ob bei den Kirchentagen auf dem Weg vom 25. bis 27. Mai 2017 in Magdeburg, Erfurt, Weimar/Jena oder Halle/Eisleben, ob beim großen Festgottesdienst auf den Elbwiesen in Wittenberg oder in vielen Gemeinden und Kirchenkreisen: Überall werden wir die Wieder-Entdeckung des Evangeliums ökumenisch feiern! Was für ein Geschenk!
Ich möchte Sie herzlich bitten, diese Feste nach dem Maß Ihrer Kräfte und Möglichkeiten mit zu gestalten; ob durch eine Einladung an Ihre württembergische oder hessen-nassauische bzw. kurhessische Partnergemeinde, einen der Kirchentage auf dem Weg gemeinsam zu besuchen oder als mitwirkende Unterstützung1 dort oder bei Gottesdienst, Abendmahlsfeier und anschließendem Picknick auf den Elbwiesen am 28. Mai 2017 oder durch eine Aktivität im Zusammenhang Ihrer regionalen oder lokalen Glaubens- und Kulturschätze von der Reformationszeit bis heute.
Wir haben viel empfangen – wir dürfen viel mit fröhlichem Herzen weitergeben! Ich danke Ihnen sehr für alles, was Sie in Ihren Gemeinden und Kirchenkreisen im jetzt anbrechenden Jahr des Reformationsjubiläums bedenken und tun werden und ich wünsche Ihnen von Herzen viel Kraft, Geduld und Fröhlichkeit dabei!
Ihre Landesbischöfin Ilse Junkermann