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Im Dienst für schwerstmehrfachbehinderte Menschen - 30 Jahre Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH

Sonnabend, 03. Juli 2021, 11:09 Uhr
Dagmar Höppner mit dem Tagesplan Am Förstemannpark (Foto: R. Englert) Dagmar Höppner mit dem Tagesplan Am Förstemannpark (Foto: R. Englert)

Wohnheim mit Förderbereich Am Förstemannpark
Dabeisein, zugucken und hören, wie andere leben, das tun wir doch alle gern. Ein bisschen Bummeln gehen. Doch gerade für schwerstmehrfachbehinderte Menschen ist das besonders wichtig. „Wenn nicht viel möglich ist, dann wenigstens mit Augen und/oder Ohren dabei sein“, erklärt die Leiterin des Wohnheims für schwerstmehrfachbehinderte Menschen Am Förstemannpark Dagmar Höppner. Das gemütliche Wohnheim in der Leimbacher Straße in Nordhausen wurde im März 2002 erstmals bezogen. 20 der heutigen 36 Bewohner sind Rollstuhlfahrer, einige blind oder verhaltensauffällig. Schwerstmehrfachbehinderungen sind immer sehr individuell ausgeprägt. Leiterin Dagmar Höppner ist von der ersten Stunde an mit dabei. „Wir leben hier wie in einem Haushalt mit vielen Leute,“ erzählt sie. Jeder Bewohner hat seinen festen Bezugsbetreuer, das Vertrauen in sie oder ihn von Seiten der Bewohner ist groß, die Beziehung eng. In Wohnheim und Förderbereich sind insgesamt 48 Betreuer im Einsatz. „Die sind nicht einfach austauschbar“, schüttelt
Höppner traurig und zugleich energisch den Kopf, als sie an den Lockdown zurückdenkt. Schwere Wochen liegen hinter ihrem Team und den Bewohnern. Etliche waren erkrankt. Es gab Zeiten, da übernahm die Geschäftsführerin der Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH Tilly Pape zusätzlich zu ihrer Arbeit hier den Nachtdienst. „Die Menschen kennen meine Stimme, sie haben mich an sich herangelassen“, blickt sie nachdenklich zurück.
Snozelenraum Am Förstemannpark (Foto: R. Englert) Snozelenraum Am Förstemannpark (Foto: R. Englert)

Vom Wohnhaus führt ein kurzer, überdachter Weg durch den schönen Garten zu den Gruppenstunden und Therapien im Förderbereich. Von hier aus kann man auch das neue Dach des Wohnheims bewundern. „Ich bin froh, dass das reparaturanfällige Flachdach jetzt Geschichte ist“, schaut Tilly Pape nun lächelnd nach oben.
Der Ortswechsel zwischen Schlafraum und Tagesgruppenräumen ist für die Bewohner wichtig, das kann nach vielen Monaten Homeoffice heute so mancher nachempfinden.
Auf geht´s zum Bummeln (Foto: R. Englert) Auf geht´s zum Bummeln (Foto: R. Englert)

Montags bis freitags ist hier von 8.30-16 Uhr Hochbetrieb. Mit ihren Gruppenleitern und Therapeuten versucht die Leiterin des Förderbereichs Annett Scheutzel Fähigkeiten zu erhalten. Keiner der Bewohner kann allein einkaufen, kochen oder waschen. Umso wichtiger ist der Erhalt motorischer Fähigkeiten, jedes kleine Mitmachen wird gefördert. Doch als es die Inzidenzen zulassen, freuen sich alle viel mehr auf den ersten anstehenden Stadtbummel nach langer Zeit. „Welch´ ein Fest“, freut sich auch Annett Scheutzel, als sie den Schlüssel für den Heimbus holen kann. Hinter ihr ist fröhliches Gemurmel zu hören.
Wie schön, wenn man mit einem Lächeln erwartet wird.  (Foto: R. Englert) Wie schön, wenn man mit einem Lächeln erwartet wird. (Foto: R. Englert)

Einen ähnlichen Förderbereich gibt es auch in Salza. Er wird von Kerstin Benke geleitet. Im Gegensatz zum Förderbereich Am Förstemannpark leben die betreuten Menschen hier größtenteils noch zu Hause. Von Anfang 20 bis 83 Jahren sind sie alt, auch, wenn man das ihren Gesichtern meist nicht ansieht. Für Außenstehende scheinen sie fast alterslos.
Die Arbeit im Förderbereich ist für die Mitarbeiter sehr intensiv. Die Nähe, die teilweise Lärmbelastung durch immer wiederkehrende Laute und das Wissen um seelische und körperliche Schicksale, das muss verkraftet werden. Und trotzdem gibt es kaum Mitarbeiterfluktuation.

Wie schon die Leiterin des integrativen Kindergartens Traumzauberbaum, Susann Marold, betonte, gibt es auch im Förderbereich „den“ klassischen Behinderten nicht mehr. Bindungsgestörte junge Menschen nähmen deutlich zu, resümiert Kerstin Benke. Von solchen Menschen werde dann bis zum bitteren Ende ausgetestet, was sie noch tun müssen, damit man sie nicht mehr gernhat. „Eine Form der Behinderung die jeden Personalschlüssel schnell an seine Grenzen bringt“, schaut Benke voraus. Aber jeder Tag bringe eben neue Herausforderungen für sie und ihre Mitarbeiter. „Die Nordthüringer Lebenshilfe ist wie ein Prädikat“, betont sie. Alle seien im Dienst, um für Menschen mit Behinderungen zu kämpfen und für ihre Familien da zu sein. Und der Kampf funktioniert leider allzu häufig über den Kampf ums Geld. Gute Arbeit und gute Räumlichkeiten, das gibt es nicht umsonst. Allzu oft muss dafür gestritten werden.
Regina Englert
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