Montag, 22. November 2021, 10:11 Uhr
Arvid Büntzel (Foto: privat)
Liebe Homepage-Leser, dieser Bericht wurde auf der heutigen Herbsttagung der Kreissynode stellvertretend von Johannes Hartke verlesen. Zum großen Bedauern der Synodalen reichte die Zeit nicht, um ihn zu Ende zu verlesen. Die Synode musste entsprechend der Corona-Auflagen um 12.30 Uhr beendet sein. Nun sind alle Synodalen gespannt, wie der Bericht weiter geht. Und wenn Sie ihn noch gar nicht kennen - es lohnt sich ihn zu lesen! Er ist wunderbar lebendig geschrieben. Ein großes Dankeschön an unseren Landessynodalen Arvid Büntzel, der den Bericht noch auf dem Rückweg von der Synode im Zug verfasst hat.
Anlässlich der Kreissynode des Ev. Kirchenkreises Südharz
am 20.11.2021
von Arvid Büntzel
Hohe Synode,
liebe Schwestern und Brüder,
zunächst und vorab ist es sicherlich von meiner Seite aus angebracht zu erklären, warum ich heute nicht an der Tagung unserer Kreissynode teilnehme und Ihnen und euch leider nicht persönlich von der vergangenen Tagung der Landessynode der EKM berichte.
Nachdem ich nun zwei Tagungen schon hinter mir habe, wage ich den groben Erfahrungswert abzugeben, dass die Vor- und Nachbereitung einer Landessynodentagung recht zeitaufwändig ist – deutlich zeitaufwendiger als ich zunächst dachte. Im Vorfeld der Synode kleckern fast tagtäglich neue Drucksachen in das Mailpostfach herein. Gesetzesänderung zur Pfarrwiederverwendung, 189-seitige Finanzberichte mit 45-seitigen Erläuterungen, Anträge zu einem möglichen Digitalisierungskonzept der Landeskirche, Unterlagen zu anstehenden Personalwahlen und so weiter und so fort. Sich allein einen Überblick darüber zu verschaffen, braucht die ein oder andere Stunde – nicht zu vergessen: den ein oder anderen starken Kaffee.
Um es abzukürzen: Ich befinde mich im selben misslich-schönen Spagat, in dem sich so viele Engagierte in unserer Kirche und auch viele von Ihnen befinden. Auf der einen Seite ist die schöne Aufgabe, sich für die eigene Kirche, die eigene Gemeinde und den eigenen Kirchenkreis einzubringen und Dinge voranzuschieben, nachzufragen und Bretter zu bohren, für die man sich begeistert – auf der anderen Seite ist da aber auch das alltägliche Leben bestehend aus der Lektüre von Seminartexten, dem Pauken von Grammatik und Vokabeln auf meiner Seite – bei vielen von Ihnen der tägliche Weg zur Arbeit, das Kümmern um die Kinder und Enkelkinder etc. Da kann man schonmal unter die Räder kommen.
Wir müssen insbesondere in einer Kirche der Wenigen mehr und mehr lernen, aufeinander Acht zu geben und in geschwisterlicher Güte und Freundlichkeit Aufgaben zu teilen und uns gegenseitig zu helfen. Deshalb bin ich auch so froh, dass Johannes Hartke heute an meiner Stelle den Bericht vorstellt und zu Ihnen spricht.
Aber nun zur Sache, nun zur Landessynode!
Die Landessynode der EKM tagte diese Woche zum ersten Mal in ihrer neuen Legislaturperiode in Präsenz. Bereits am Dienstagabend reisten einige Synodale nach Erfurt an, um Quartier im Augustinerkloster zu beziehen und sich auf die anstehende Sitzung am nächsten Morgen vorzubereiten. Der Tagungsort der Synode kann nicht anders als malerisch beschrieben werden. Augustinerkloster und die Alte Universität, in der wir tagten, atmen durch und durch die Luft vergangener Zeiten. Man stellt sich zwangsläufig vor, wie Martin Luther vor über 500 Jahren genau wie wir Morgen für Morgen den Weg vom Augustinerkloster über kleine Brücken über die plätschernde Seitenärme der Gera bis zur Universität ging und in seinen Pausen über die Krämerbrücke bummelte. In diesem historischen Setting hatten wir allerhand zu besprechen und zu beschließen. In drei Teilen möchte ich nun davon berichten: Erstens, Berichte; zweitens, Beschlüsse der Landessynode und zum Schluss ein wenig zu den Wahlen.
[Berichte]
Zu Beginn der herbstlichen Landessynode steht üblicherweise der Bericht des Landesbischofs auf dem Plan. Nun konnte unser Landesbischof Friedrich Kramer leider nicht in Präsenz an der Tagung teilnehmen, da er erkrankt ist. So bedauerlich das war, eröffnete es auch die Möglichkeit, dass unser scheidender Probst Dr. Christian Stawenow auf seiner letzten Synodentagung ein wenig mehr Raum einnehmen durfte. Probst Stawenow gelang es auf beeindruckende Art und Weise, theologisch-pointiert gleichzeitig nach innen, sorgende und sanftmütige Töne für die Situation der Gemeinden anzuschlagen und dabei nach außen, bestimmt aufzutreten und Missstände, wie etwa das Leid der Geflüchteten an der weißrussisch-polnischen Grenze, anzumahnen.
Auch beim Bericht aus dem Landeskirchenamt wurde wieder deutlich, dass unsere Landeskirche kompetent und gut geführt wird. Der neue Präsident des Landeskirchenamtes, Dr. Jan Lemke, berichtete von der Arbeit des Landeskirchenamts und des Landeskirchenrats. Dabei kamen vor allem die anstehenden Strukturveränderungen auf Kirchenkreisebene, namentlich die Perspektivgespräche, zur Sprache. Hierbei ist es besonders wichtig, einen Ausgleich zu finden zwischen der Notwendigkeit der Strukturveränderungen, die uns durch die sinkende Zahl an Gemeindegliedern aufgezwungen werden, und auf der anderen Seite der berechtigten Interessen und Sorgen von uns Gemeindegliedern in den Kirchenkreisen, die die Ideen von riesigen Kirchenkreisen eher skeptisch beäugen. Deshalb muss dieser Prozess möglichst offen vorangetrieben werden, sodass die jeweilig betroffenen Kirchenkreise zusammen zu Kompromissen finden. Diese Botschaft ist bei der Kirchenleitung angekommen.
Ebenfalls war die Coronapandemie Thema auf der Landessynode. Mit Blick auf die steigenden Inzidenzen und das anstehende Weihnachtsfest, konnte der Gemeindedezernent OKR Fuhrmann verschiedene Empfehlungen für die Gemeinden aussprechen. Prinzipiell sollen die Weihnachtsgottesdienste möglichst ohne Ausschluss verschiedener Personengruppen stattfinden und damit auf 3G- oder 2G-Regelungen verzichtet werden. Gleichzeitig gibt es viele Empfehlungen von verschiedenen Stellen für die Gestaltung des Weihnachtsfestes. Grundsätzlich soll die Vorbereitung der Gottesdienste in enger Absprache mit den örtlichen Behörden erfolgen – die wissen am besten Bescheid, was vor Ort geht und möglich ist. Das Kinder- und Jugendpfarramt der EKM hat Leitlinien zu Krippenspielen in der jetzigen Corona-Situation veröffentlicht. Diese können auf der Webseite des Kinder- und Jugendpfarramts nachgelesen werden. OKR Fuhrmann empfahl mir auch die Stellen der Württembergischen Landeskirche, die umfangreiche Materialien zur Gottesdienstgestaltung unter Pandemiebedingungen bereitgestellt haben. Sollten Sie in Ihren Gemeindekirchenräten während der Vorbereitung auf die Weihnachtsgottesdienste dringend Hilfe brauchen, empfehle ich Ihnen, mit dem Dezernat Bildung und Gemeinde des Landeskirchenamts Kontakt aufzunehmen – da scheint man gut informiert und beraten zu sein.
Den letzten großen Bericht lieferte der Leiter der Diakonie Mitteldeutschland, OKR Stolte. Er ließ besonders authentische Berichte aus einzelnen Einrichtungen der Diakonie zu Wort kommen. Die Schilderungen waren sehr bedrückend. Pflegeheime, die trotz hervorragendem Hygienekonzepts von einem Tag zum anderen durchseucht waren und wenig später viele Tote zu beklagen hatten, sozial schwache Familien und deren Kinder, die während der Pandemie noch mehr unter die Räder gekommen sind als vorher schon, die große Zahl an Kindern und Jugendlichen die infolge der letzten anderthalb Jahre psychische Probleme zu erleiden haben.
Die Diakonie und ihre Mitarbeitenden sind erschöpft, pandemiemüde und am Rande ihrer Kräfte. Wir dürfen auch im nun anstehenden harten Pandemiewinter die schwächsten unserer Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren. Die Kirchengemeinden können da konkret helfen! Manchmal reicht es schon, wenn der Posaunenchor vor dem Pflegeheim spielt, dem gerade ein Besuchsverbot auferlegt wurde.
Im Zusammenhang mit dem Diakoniebericht wurde auch die Debatte um eine mögliche Impfempfehlung vonseiten der Landeskirche angestoßen. Ich möchte Ihnen in Kürze gerne den Verlauf der Debatte schildern. Einige Synodale setzten sich mit Nachdruck und im Lichte des zuvor gehörten Berichtes für eine Impfempfehlung, wenigstens für die Mitarbeitenden der EKM, ein. Daraufhin wurde von anderen wiederum entgegnet, dass es merkwürdig bis moralisch-anmaßend vernommen werden könnte, wenn eine Synode, die in derartiger Form tagt, eine Impfempfehlung ausspräche. In den Ausschüssen wurde die Frage weiter besprochen. Der Ausschuss, dem ich angehöre, sprach sich gegen eine Impfempfehlung aus und machte sich die letztere Argumentation zu eigen. Außerdem würde ein allgemeiner Impfapell vermutlich verpuffen und im schlimmsten Fall manche Gemeinde weiter spalten. Der Ausschuss war überzeugt davon, dass die übergroße Mehrheit der Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst der EKM schon bereits jetzt bei Gelegenheit und im vertrauensvollen Miteinander in den Gemeinden auf die Sinnhaftigkeit einer Coronaschutzimpfung hinweisen und bei Bedarf, Fragen, Ängsten und Nöten für ihre Gemeindeglieder da seien. Andere Ausschüsse waren allerdings Pro Impfempfehlung und so wurde eine Kompromisslösung gefunden, die zwischen den verschiedenen Positionen zu vermitteln suchte.
[Beschlüsse]
Dabei sind wir schon gleich bei den Beschlüssen der Synode anbelangt. In der Beschlussfassung zum Diakoniebericht wurde den Mitarbeitenden der Diakonie gedankt. Damit dieser Dank aber kein feuchter Händedruck bleibt, wurden mit Nachdruck und Bestimmtheit die politischen Verantwortlichkeiten betont und die Behebung der Missstände eingefordert.
Es kann eben nicht sein, dass die diakonischen Einrichtungen anderthalb Jahre auf staatliche Unterstützung für die pandemiebedingten Mehrausgaben warten müssen! Es kann eben nicht sein, dass Wohlfahrtsverbände nicht bei der Erarbeitung von Coronaschutzverordnungen beteiligt sind!
Zur Impfempfehlung wurde eine konziliante Formel gesucht und eine Lösung präsentiert: Die Landeskirche danke allen Menschen, die sich impfen lassen – Impfen sei aktive, christliche Nächstenliebe. Gleichzeitig wird allerdings keine appellative, allgemeine Impfempfehlung ausgesprochen.
Ehrlich gesagt, liebe Schwestern und Brüder, mich überzeugt diese Lösung nicht wirklich. Sie ist der Versuch etwas zu sagen, was man entweder nicht sagen kann oder will. Trotzdem zeigte diese Debatte wichtige Fragen, denen wir uns zu stellen haben: Was wollen und müssen wir als Kirche sagen? Welche politischen Forderungen sind Teil unseres kirchlichen Auftrags? Welche nicht? Wo sind wir glaubwürdig? Diesen Aufgaben werden wir uns wieder und wieder stellen müssen.
Ansonsten standen im Vergleich zur letzten Synode dieses Mal keine riesigen Beschlüsse und Entscheidungen an. Besonders erwähnenswert ist dann aber doch der Doppelhaushaltsbeschluss für die Jahre 2022/2023. Hier ist zu sagen: Die schlimmsten finanziellen Turbulenzen, die durch die Coronapandemie ausgelöst wurden sind, scheinen hinter uns zu liegen. Dort wo es mehr Geld im Haushalt gibt, kommt dieses besonders den Kirchenkreisen und Gemeinden zugute, weil sich die Landeskirche etwas zurücknimmt.
[Wahlen]
Ebenfalls haben wir gewählt. Gleich zweimal sollten bisherige Amtsinhaber in ihrem Amt bestätigt werden. Zunächst war der Personaldezernent der Landeskirche, OKR Michael Lehmann, an der Reihe. Seine ruhige, kreative und kümmernde Art wurde belohnt und so wurde er mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt.
Auch die Wahl des Regionalbischofs für den neuen Sprengel Magdeburg war recht unspektakulär. Der bisherige Probst von Halle-Wittenberg, Dr. Johann Schneider, stellte sich erneut zur Wahl und wurde ebenfalls souverän und mit nur zwei Gegenstimmen wiedergewählt. Nun steht im nächsten Jahr die Entscheidung an, eine Partnerin oder einen Partner für das regionalbischöfliche Tandem in Magdeburg zu finden.
[Schluss: In-der-Schwebe-zwischen]
Die Synode war eine Synode in der Schwebe. In der Schwebe zwischen Geht noch Präsenz oder eigentlich nur noch digital? In der Schwebe zwischen Haben wir das Schlimmste hinter uns oder steht es uns noch bevor? In der Schwebe zwischen Sprechen wir eine Impfempfehlung aus oder lassen wir es bleiben? In der Schwebe zwischen Feiern wir Weihnachten wie gewohnt oder müssen wir uns auf ein weiteres Jahr der Ungewissheit einstellen?
In der Schwebe dazwischen. Das ist kein schönes Gefühl. Aber es ist ein biblisches Gefühl.
Abraham und Sarah: Zwischen Verheißung und der Geburt des Sohnes.
– In-der-Schwebe-dazwischen
Mose und sein Volk: Wandernd in der Wüste.
– In-der-Schwebe-dazwischen
David: Geflüchtet vor Saul und doch bald König.
– In-der-Schwebe-dazwischen
Jesus: Zwischen Kreuzigung und Auferstehung. Karsamstag.
– In-der-Schwebe-dazwischen
In-der-Schwebe-dazwischen müssen wir hoffen.
In-der-Schwebe-dazwischen finden wir Glauben.
In-der-Schwebe-dazwischen vertrauen wir Gott.
Corona macht uns immer von Neuem bewusst, dass wir in-der-Schwebe-dazwischen sind. Das zeigt sich manchmal auch in etwas ernüchternden Synodenergebnissen. Aber ich möchte Ihnen Mut machen, die Chance zu ergreifen und den Kompass in-der-Schwebe-dazwischen neu in die Hand zu nehmen. Haben Sie auf der heutigen Synode die Kraft und die Lust, mutig voranzuschreiten und – mit Gottes Hilfe – unsere Kirche ein Stück weiterzubauen.
Segensreiche Grüße aus dem Zug (irgendwo zwischen Erfurt und Leipzig)
Ihr Arvid Büntzel